In den letzten Jahren hat Russland zunehmend mit der Herausforderung seiner Abhängigkeit von westlichen Halbleitern zu kämpfen. Sanktionen seitens des Westens erschweren den Zugang zu wichtigen Technologien, was besonders die russische Armee beeinträchtigt. Kürzlich unterzeichnete Präsident Putin ein Dekret, das es ihm erlaubt, Rüstungsunternehmen zu enteignen, falls diese ihre Pflichten nicht erfüllen. Diese Maßnahme zeigt die wachsende Dringlichkeit an, Lösungen für die Chipkrise zu finden. Zwar versucht Moskau, durch China und andere Länder wie Indien oder die Türkei Alternativen zu finden, doch die lokalen Hersteller können den Anforderungen nicht gerecht werden.
Die aktuelle Situation verdeutlicht sich am besten über interne Dokumente der russischen Rüstungsfirma NPO VS aus Kasan. Laut einem Bericht wurden umfangreiche Kommunikationsdaten analysiert, darunter auch Briefe des ehemaligen Verteidigungsministers Sergei Schoigu. Die Experten zeigen besondere Besorgnis über die Abhängigkeit von westlichen Halbleitern. Lokale Hersteller wie Elbrus und Baikal erreichen nach Einschätzung eines Managers keine vergleichbare Qualität und Effizienz wie westliche Produkte. Dies führt zu einer signifikanten Verzögerung im technologischen Fortschritt, mindestens zehn Jahre hinterher hängend.
Seit 2022 haben sowohl die EU als auch die USA Ausfuhrbeschränkungen für moderne Elektronikkomponenten verhängt. Doch Russland entwickelt kreative Strategien, um diese Sanktionen zu umgehen. Eine Möglichkeit ist der Kauf über Drittländer, insbesondere China, welches einen Großteil der Importe ausmacht. Auch der Einsatz von Verbraucherprodukten, die Chips beinhalten, ist eine Option, wenngleich dies ineffizient ist, da die restlichen Teile danach ungenutzt bleiben. Diese Methoden tragen jedoch nicht zur Eigenständigkeit bei und erhöhen Kosten.
Diese Probleme wurzeln tief in der Geschichte des Landes. Bereits während des Kalten Krieges lag Russland weit hinter dem technologischen Stand des Westens zurück. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Bedarf an Chips größtenteils durch Importe gedeckt, ohne dass eine eigenständige Industrie aufgebaut wurde. Das australische Thinktank Australian Institute of International Affairs betont, dass dieses Erbe weiterhin die Entwicklung behindert. Obwohl China als Partner fungiert, leiden auch chinesische Produkte unter Mängeln und Defekten.
Die langfristigen Folgen dieser Abhängigkeit könnten katastrophal sein. Ohne eine robuste lokale Mikroprozessor-Industrie wird Russland weiterhin mit begrenzter Kapazität arbeiten müssen. Dies beeinträchtigt Unternehmen, Staatsinstitutionen und letztlich die Lebensqualität der Bevölkerung. Gebildete Menschen könnten sich daher dazu entscheiden, ihr Glück im Ausland zu suchen, was die bestehenden Probleme weiter verschärfen könnte.
Der Kampf gegen technologische Abhängigkeit stellt für Russland eine existenzielle Herausforderung dar. Während internationale Sanktionen den Zugang zu modernen Halbleitern einschränken, ringt das Land nach alternativen Lösungen. Doch die bisherigen Ansätze reichen nicht aus, um die Lücken zu schließen. Die historisch bedingte Rückständigkeit in der Chipentwicklung sowie die Mängel bei lokalen Produzenten machen klar, dass fundamentale Änderungen nötig sind, um den technologischen Fortschritt wiederholbar zu gestalten.