In Europa steckt ein enormes Potenzial in denjenigen, die sich gegenwärtig durch ihren sozioökonomischen Hintergrund behindert sehen. Fast ein Drittel der Bevölkerung muss sich mit einem signifikanten Nachteil konfrontieren, wenn es um berufliche Entwicklung geht. Diese Gruppe weist eine um vier Prozentpunkte höhere Arbeitslosigkeit auf und verbringt im Durchschnitt fünf Monate länger in Arbeitslosigkeit als ihre Gegenstücke aus privilegierteren Kreisen.
Besonders auffällig ist, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status (SEB) dreimal häufiger in weniger qualifizierten Positionen arbeiten, selbst wenn sie ein ähnliches Bildungsniveau aufweisen wie ihre Kollegen mit höherem SEB. Die Karriereschritte dieser Gruppe sind zudem deutlich langsamer, was zeigt, dass der Aufstieg für sie erheblich erschwert wird.
Eine detaillierte Analyse legt nahe, dass die Förderung sozialer Mobilität ein massiver Antrieb für das Bruttoinlandsprodukt der EU27 sein könnte. Ein Anstieg um neun Prozent entspricht einer erstaunlichen Summe von etwa 1,3 Billionen Euro, die potenziell in die europäische Wirtschaft fließen könnten. Soziale Mobilität wird hierbei als die Fähigkeit definiert, über die Lebenszeit hinweg auf der sozioökonomischen Leiter nach oben zu steigen.
Diese Zahlen verdeutlichen eindringlich, dass es bislang kaum Ansätze gibt, dieses Potential vollständig zu nutzen. Experten betonen daher die Notwendigkeit, neue Wege einzuschlagen, um diese Lücke zu schließen und gleichzeitig gerechtere Chancen für alle zu schaffen.
Der technologische Fortschritt bringt sowohl Gefahren als auch Möglichkeiten mit sich. Bis zum Jahr 2030 könnten zehn Millionen neue hochqualifizierte Stellen durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz entstehen. Doch diese Entwicklung birgt auch Risiken, da bis zu sechs Millionen gering qualifizierte Arbeitsplätze gefährdet sind – eine Entwicklung, die insbesondere diejenigen trifft, die bereits aus unterprivilegierten Kreisen stammen.
Würden jedoch Beschäftigte mit niedrigem SEB in gleichem Maße wie ihre Kollegen mit höherem SEB aufsteigen, könnte dies eine zusätzliche Kapazität von 13 Millionen Fachkräften freisetzen. Dies würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken, sondern auch dafür sorgen, dass niemand im Zeitalter der Digitalisierung zurückgelassen wird.
Im internationalen Vergleich zeigt Deutschland erhebliche Defizite bei der Förderung sozialer Mobilität. Während im Vereinigten Königreich strukturierte Programme etabliert sind, fehlen in Deutschland solche Initiativen weitgehend. Nur ein Viertel der deutschen Arbeitnehmer berichtet von gezielten Schulungen für Mitarbeiter aus bildungsfernen Schichten – ein deutlich geringerer Anteil als in Großbritannien, wo fast zwei Drittel solcher Programme angeboten werden.
Kinder von gering qualifizierten Eltern haben in Deutschland eine um 20 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, ebenfalls in weniger qualifizierten Jobs zu landen. Mehr als ein Drittel der Befragten mit niedrigem SEB fühlt sich durch seinen Hintergrund benachteiligt. Eine bemerkenswerte Hälfte dieser Gruppe würde den Arbeitgeber wechseln, wenn dieser soziale Inklusion ernster nehmen würde.
Um die Situation zu verbessern, schlägt die Studie sieben konkrete Handlungsfelder vor, die Unternehmen aktiv unterstützen könnten:
Zuerst sollten bezahlte Praktika ermöglicht werden, um jenen Zugang zu beruflichen Einstiegsmöglichkeiten zu verschaffen, die unbezahlte Programme nicht finanzieren können. Zweitens kann datengestützte Rekrutierung mit Hilfe intelligenter Werkzeuge helfen, Potenziale außerhalb traditioneller Lebensläufe zu erkennen. Drittens sollten objektive Einstellungsverfahren die Herkunft oder das Netzwerk eines Bewerbers unwesentlich machen.
Weiterhin bieten Mentoring-Programme Orientierung und erhöhen die Motivation sowie die Führungskompetenzen. Gezielte Qualifizierungsmaßnahmen schließen bestehende Lücken und öffnen neue Perspektiven. Transparente Karrierewege machen Entwicklungsmöglichkeiten nachvollziehbar. Abschließend fördert die Sichtbarkeit von Erfolgsgeschichten Motivation und Engagement.
Die Botschaft der Studie lässt keinen Raum für Interpretationen: Investitionen in soziale Mobilität sind nicht nur moralisch notwendig, sondern auch volkswirtschaftlich klug. Unternehmen, die diesen Aspekt ernst nehmen, tragen nicht nur zur Gerechtigkeit bei, sondern profitieren auch selbst von einer dynamischeren Wirtschaftsentwicklung.