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Rezepte gegen Konjunkturflaute: Mario Draghi will EU-Marshallplan
2024-09-09

Europas Wettbewerbsfähigkeit auf dem Prüfstand: Draghis Weckruf für einen neuen Marshallplan

Laut dem ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi steht es schlecht um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Um im globalen Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können, fordert er einen "neuen Marshallplan" mit Investitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro pro Jahr. Doch seine Ideen stoßen nicht überall auf Begeisterung.

Draghis Weckruf: Europa droht die "langsame Agonie"

Konjunkturflaute und Industriekrise in Europa

Die Wirtschaft in Europa befindet sich in einer schwierigen Lage. Aus Deutschland kommen Meldungen über eine Konjunkturflaute, bei Volkswagen herrscht Krise und Thyssen-Krupp bangt um seine Existenz. Vor diesem Hintergrund warnt der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi vor einer "existenziellen Herausforderung" für Europa. Ohne einen radikalen Kurswechsel drohe dem Kontinent eine "langsame Agonie".

Draghis Forderung: Ein "neuer Marshallplan" für Europa

Um im globalen Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können, sieht Draghi nur einen Ausweg: Europa braucht einen "neuen Marshallplan" mit Investitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro pro Jahr. Das wäre mehr als doppelt so viel Geld, wie der US-finanzierte Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg in Richtung Europa gepumpt hat. Draghi betont, dass man sich für solch hohe Summen nicht allein auf private Investoren verlassen kann. Stattdessen müsse die EU über eine gemeinsame Finanzierung nachdenken - am besten über neue Schulden nach dem Vorbild des Corona-Aufbaufonds.

Energiepreise senken und Bürokratie abbauen

Neben den Investitionen sieht Draghi zwei weitere Schlüsselfaktoren, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken: Zum einen müssen die hohen Energiepreise gesenkt werden, die durch den Wegfall der günstigen Energie aus Russland entstanden sind. Zum anderen plädiert Draghi für weniger EU-Bürokratie und mehr Freiheit für Konzerne und Fusionen.

Kritik am "Green Deal" und Widerstand aus Deutschland

In seinem Bericht zur "Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit" übt Draghi auch leise Kritik am "Green Deal" der EU-Kommission. Bisher sei das versprochene Wachstum ausgeblieben, und die höheren Energiepreise hätten Europa einen Wettbewerbsnachteil eingebracht. Zudem drohe man den wichtigen Markt in China zu verlieren.Doch Draghi stellt das Konzept der Wettbewerbsfähigkeit selbst nicht infrage. Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigt sich erfreut über Draghis Bericht. Sie will seine Empfehlungen in das Arbeitsprogramm der neuen Kommission aufnehmen.Allerdings bleibt offen, woher die geforderten Milliarden kommen sollen. Deutschland hat sich bereits gegen neue Schuldenprogramme ausgesprochen, und nach den neuen Schuldenregeln müssen die meisten Mitgliedstaaten sparen. Draghis Weckruf droht somit ungehört zu verhallen.

Kontroverse Reaktionen auf Draghis Vorschläge

Draghis Forderungen stoßen nicht überall auf Zustimmung. Der grüne EU-Abgeordnete Rasmus Andresen begrüßt zwar den Fokus auf Investitionen, warnt aber, dass Draghis "Mut nicht von nationalen Bedenkenträgern ausgebremst werden" darf. Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sieht Handlungsbedarf, mahnt aber, dass "am Ende die Umsetzung zählt".Kritischer äußern sich Fabio De Masi vom Bündnis Sahra Wagenknecht und der Linken-Ko-Fraktionschef Martin Schirdewan. Sie sehen in Draghis Vorschlägen die Gefahr von Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen. Für sie ist die europäische Wettbewerbsfähigkeit ein "Auslaufmodell".
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