Rezepte
Kiffen auf Rezept so leicht wie nie
2024-08-19
Der wachsende Markt der zweifelhaften Cannabis-Verschreibungen
In Deutschland verzeichnet die Zahl der Verschreibungen von medizinischem Cannabis einen deutlichen Anstieg. Gleichzeitig boomen fragwürdige Internetplattformen, die Cannabis-Rezepte gegen Gebühr ausstellen. Experten warnen, dass hierbei der Genusskonsum im Vordergrund stehen könnte, anstatt eine medizinische Notwendigkeit. Das Bundesgesundheitsministerium will die Entwicklung weiterhin aufmerksam beobachten.Bequemes Rezept, unsichere Qualität
Der ungebremste Anstieg der Cannabis-Verschreibungen
Die Zahlen sprechen für sich: Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stieg die Einfuhr von getrockneten Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken im zweiten Quartal 2024 um 40 Prozent im Vergleich zum Vorquartal - von 8,1 auf 11,7 Tonnen. Dieser deutliche Zuwachs ist auch auf die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland zurückzuführen, die zu einer Enttabuisierung des Themas führte.Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Cannabis-Verschreibungen nicht immer medizinisch gerechtfertigt sind. So zeigt eine Auswertung von über 7.000 Rezepten, dass diese überwiegend an jüngere Männer gingen und mehr als zwei Drittel als Privatrezepte ausgestellt wurden - um die Kosten von den Krankenkassen erstattet zu bekommen, müssen Patienten eigentlich eine schwere Erkrankung nachweisen.Bequemes Online-Rezept statt Arztbesuch
Viele Patienten berichten von einem einfachen und schnellen Weg, an ein Cannabis-Rezept zu kommen: Über spezielle Online-Plattformen können sie in wenigen Minuten eine "virtuelle Sprechstunde" durchlaufen und erhalten dann ein Privatrezept. Die Ärzte auf diesen Plattformen haben oft ihren Sitz im Ausland, wodurch eine sorgfältige Prüfung der Patienten erschwert wird.Laut Experten der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) ist es den Ärzten auf solchen Plattformen "kaum möglich, ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen". Denn bei der Verschreibung von Cannabis müssen mögliche unerwünschte Wirkungen, insbesondere hohe THC-Gehalte, sorgfältig abgewogen werden. Die DPhG-Fachgruppe fordert daher, dass ein persönliches Arztgespräch Voraussetzung für ein solches Rezept sein sollte.Attraktive Preise, fragwürdige Qualität
Ein weiterer Anreiz für Patienten, online ein Cannabis-Rezept zu beantragen, sind die attraktiven Preise. Diese liegen oft ähnlich hoch wie auf dem Schwarzmarkt, allerdings mit der Zusicherung einer garantierten Qualität. Doch genau hier liegt ein Problem: Die Internetplattformen haben laut Experten offenbar nicht das Wohl der Patienten im Fokus, sondern ihren eigenen Gewinn. Eine sorgfältige Qualitätskontrolle und Überwachung bleibt dabei auf der Strecke.Hinzu kommt, dass der durchschnittliche THC-Gehalt von Cannabis in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Laut Europäischem Drogenbericht hat sich der Wert allein zwischen 2012 und 2022 verdoppelt. Damit einher gehen auch Risiken wie ein erhöhtes Auftreten von psychotischen Ereignissen, selbst bei erfahrenen Konsumenten.Legale Anbauvereine als mögliche Lösung
Um die Versorgung mit sicherem, medizinischem Cannabis zu gewährleisten, setzen Experten auf die neu gegründeten Cannabis-Anbauvereine. Diese durften erst im Juli 2024 ihre Arbeit aufnehmen und sollen Patienten die Möglichkeit geben, das Medikament auf legalem Weg zu beziehen.Allerdings läuft der Aufbau der Vereine noch nicht überall reibungslos. In Berlin etwa wurde bislang kein Antrag eines Cannabis-Clubs genehmigt. Zudem braucht eine Cannabispflanze etwa drei Monate, bis sie geerntet werden kann. Bis die Anbauvereine flächendeckend funktionieren, bleiben Patienten auf andere Bezugsquellen angewiesen.Warnung vor Genusskonsum statt medizinischer Nutzung
Insgesamt warnen Experten davor, dass die stark gestiegenen Cannabis-Verschreibungen nicht immer einer medizinischen Indikation entsprechen. Stattdessen könnte der Genusskonsum im Vordergrund stehen. Das widerspricht jedoch dem Sinn des Gesetzes, das Cannabis ausschließlich für den medizinischen Bedarf vorsieht.Das Bundesgesundheitsministerium betont, dass Cannabis als Arzneimittel nur bei einem tatsächlichen medizinischen Grund verschrieben werden darf. Die weitere Entwicklung werde man "weiterhin aufmerksam beobachten". Bis eine stabile Versorgung über die Anbauvereine gewährleistet ist, bleibt die Situation für Patienten jedoch angespannt.