In der Nachkriegsordnung Bosniens und Herzegowinas spielt die Position des Hochkommissars eine zentrale Rolle. Diese Figur, ernannt vom Friedensimplementierungsrat mit internationaler Unterstützung, verfügt über weitreichende Vollmachten zur Durchsetzung von Friedensvereinbarungen. Obwohl diese Machtbefugnisse als notwendig für politische Entscheidungsprozesse angesehen werden, kritisieren einige Beobachter sie als Eingriff in die nationale Souveränität. Seit 2021 führt Christian Schmidt diesen Posten aus, wobei seine Aktionen, insbesondere bei Wahlrechtsänderungen, kontrovers diskutiert wurden.
Die Funktion des Hochkommissars wurde nach dem Bosnienkrieg geschaffen, um politische Blockaden zu überwinden. Die internationale Gemeinschaft gewährte diesem Amtsträger sogenannte "Bonner Befugnisse", welche ihm ermöglichen, unabhängige Entscheidungen zu treffen, ohne auf nationale Parlamente zurückzugreifen. So kann er Gesetze ändern oder gewählte Vertreter entlassen. Der aktuelle Inhaber des Amtes, Christian Schmidt, ein deutscher Politiker mit langjähriger Erfahrung in außen- und verteidigungspolitischen Fragen, hat bereits umstrittene Maßnahmen ergriffen, wie etwa die Änderung des Wahlrechts per Dekret im Jahr 2022.
Diese Handlungen fanden statt, nachdem lokale Politiker sich nicht auf eine Reform einigen konnten. Allerdings ignorierte Schmidt dabei Anweisungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, was Kritik auslöste. Stattdessen berücksichtigte er Interessen der kroatisch-nationalistischen HDZ-Partei, was als Beeinflussung durch das benachbarte Kroatien gedeutet wurde.
Parallel dazu strebt Bosnien seit Jahren den Beitritt zur Europäischen Union an. Doch die Umsetzung der geforderten Reformen bleibt hinter den Erwartungen zurück. Besonders problematisch ist die Diskriminierung von Personen, die keiner der drei großen Volksgruppen angehören. Zudem stören Einmischungen durch Nachbarstaaten wie Serbien und Kroatien den politischen Prozess. Während serbische Nationalisten die Abspaltung der Republika Srpska fordern, unterstützt Kroatien nationalistische Kräfte innerhalb Bosniens.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es Hoffnungsschimmer. Viele Bürger organisieren sich selbstständig über ethnische Grenzen hinweg, zum Beispiel bei Umweltschutzaktionen oder Protesten gegen Korruption. Auch während Krisensituationen zeigte sich eine bemerkenswerte Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Gruppen. Dennoch bleibt das politische System stark von nationalen Differenzen geprägt, die weiterhin Konflikte hervorrufen.
Aufgrund dieser komplexen Situation bleibt die Rolle des Hochkommissars entscheidend für die Stabilität des Landes. Seine Fähigkeit, zwischen den unterschiedlichen Interessen zu vermitteln, wird weiterhin einen maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft Bosniens und Herzegowinas haben.