In jüngster Zeit hat der schwedische Ökonom Daniel Waldenström eine kontroverse Debatte über den Wohlstand in westlichen Gesellschaften entfacht. In seinem neuesten Werk „Reicher und gleicher“ präsentiert er die These, dass Ungleichheit im letzten Jahrhundert tatsächlich gesunken ist. Im Gegensatz zu anderen Forschern wie Thomas Piketty betont Waldenström, dass sich breite Bevölkerungsschichten an dem wirtschaftlichen Aufschwung seit Beginn der Industrialisierung beteiligen konnten. Besonders nach 1980 habe es einen starken Anstieg von Vermögen bei Mittelschicht und Arbeitnehmern gegeben.
In einem spannenden Vortrag am ifo-Institut in München stellte Waldenström seine Erkenntnisse vor. Der renommierte Professor für Wirtschaftswissenschaften analysierte Daten aus mehreren Jahrhunderten und kam zu überraschenden Schlussfolgerungen. Während früher das Schicksal durch das Rad der Fortuna bestimmt wurde, ermöglichte die Industrialisierung ab etwa 1890 einer immer größeren Bevölkerungsgruppe den Zugang zu Wohlstand. Insbesondere zwischen 1910 und 1980 profitierten viele Menschen von diesem Prozess. Heutzutage können wir uns Luxusgüter wie Automobile oder Urlaubsreisen leisten, die früher unvorstellbar waren.
Waldenström differenziert dabei zwischen verschiedenen Ländern und Regionen. Während in Europa die Entwicklung insgesamt positiv verlief, stieg die Ungleichheit in den USA und Deutschland deutlich schneller an. Dennoch bleibt sein zentrales Argument bestehen: Langfristig betrachtet sank der Anteil des obersten Prozentils am Gesamtvermögen signifikant – von rund 60 Prozent im späten 19. Jahrhundert auf aktuell etwa 25 Prozent.
Von besonderer Bedeutung sind laut Waldenström die innovativen Unternehmer des Silicon Valley, die nicht nur Reichtümer schufen, sondern auch Millionen Arbeitsplätze generierten. Diese „Tech-Nerds“ symbolisieren den erarbeiteten Reichtum, der in einem günstigen politischen und wirtschaftlichen Umfeld florieren kann.
Als Lösungsansatz für zukünftige Herausforderungen befürwortet Waldenström Systeme, die den Vermögensaufbau von unten fördern. Statt harte Steuern auf Kapital zu verhängen, sollten Gesellschaften vielmehr Rahmenbedingungen schaffen, die es Bürgern erleichtern, zum Beispiel Immobilien zu erwerben oder an Unternehmen teilzuhaben.
Von einem journalistischen Standpunkt aus betrachtet, bietet Waldenströms Forschung eine frische Perspektive auf ein hochaktuellen Thema. Seine Analyse zeigt, dass es weniger darum geht, vorhandenes Vermögen umzuteilen, sondern vielmehr darum, möglichst vielen Menschen den Zugang zu Eigenkapital zu ermöglichen. Dies könnte eine vielversprechende Strategie sein, um sowohl Armut zu bekämpfen als auch wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Die Diskussion über faire Verteilung sollte sich also künftig weniger auf die Frage konzentrieren, wer wie viel besitzt, sondern darauf, wie jeder Bürger selbstbestimmt an Wohlstand teilhaben kann.