Millennials beklagen zunehmend, dass sie ihre Kinder weitgehend allein erziehen müssen, da ihre Babyboomer-Eltern keine aktiven Großeltern sind. Experten sehen hierfür komplexere Gründe als bloßen Egoismus. Systemische Familienberaterin Katarina Hübner erklärt diese Entwicklung durch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen und andere Lebensprioritäten der Babyboomer. Auch Generationenforscher Rüdiger Maas bestätigt diese Perspektive und prognostiziert noch größere Distanz bei den Millennials als künftigen Großeltern.
Die Babyboomer haben eine völlig neue Art der Großelternschaft entwickelt, die stark von traditionellen Mustern abweicht. Während frühere Generationen oft selbstverständlich für die Betreuung ihrer Enkel zur Verfügung standen, suchen sich viele Boomer heute erst einmal nach persönlicher Erfüllung. Dieses Verhalten wird von ihren Kindern oft missverstanden.
In Wahrheit spiegelt dieses Verhaltensmuster eine grundlegende Verschiebung in den Erwartungen und Möglichkeiten wider. Die systemische Beraterin Hübner betont, dass die Babyboomer-Generation in ihrer eigenen Elternzeit stark an klassischen Rollenmustern festhielt. Viele Frauen mussten damals berufliche Ambitionen zurückstellen, während Männer emotional weniger präsent waren. Im Ruhestand wünschen sich nun viele dieser Menschen, das zu erleben, was ihnen damals verwehrt blieb - sei es Reisen, Partnerschaft oder persönliche Entwicklung. Diese Neuausrichtung führt leider dazu, dass ihre Kinder dies als fehlende Unterstützung empfinden.
Neben diesen sozialen Veränderungen gibt es weitere Faktoren, die die Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln beeinflussen. Forscher wie Rüdiger Maas deuten darauf hin, dass sich diese Dynamik weiter verstärken könnte, wenn die heutigen Millennials selbst Großeltern werden.
Der Grund dafür liegt unter anderem in den fortschreitenden digitalen Innovationen und dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel in der Familiengestaltung. Maas argumentiert in seinem Werk "Konflikt der Generationen", dass moderne Kommunikationsmittel wie KI und digitale Ratgeber die Notwendigkeit einer engen Bindung zwischen den Generationen reduziert haben. Zudem haben sich die Wohnstrukturen gewandelt - große Familienhäuser mit mehreren Generationen unter einem Dach gehören increasingly der Vergangenheit an. Stattdessen zieht es viele Menschen in eigene Wohnungen oder gar andere Länder. Diese Trennung hat erhebliche Auswirkungen auf die Möglichkeit täglicher Unterstützung durch Großeltern. Alternativ könnten Modelle wie Leih-Omas oder Nachbarschaftshilfen zukünftig wichtige Ergänzungen darstellen.