In der Schweiz nimmt die Zahl der Eltern zu, die ihre Kinder ein Jahr später in den Kindergarten schicken, um ihnen bessere Chancen auf eine erfolgreiche Schullaufbahn zu bieten. Diese Praxis führt jedoch zu Ungleichheiten zwischen den jüngeren und älteren Kindern in einer Klasse. Statistiken zeigen, dass die älteren Schüler oft bessere Leistungen erzielen und häufiger das Gymnasium besuchen. Die Entscheidung zur verspäteten Einschulung hängt nicht nur von dem Geburtsdatum ab, sondern auch davon, wie liberal die Kantone mit den Anträgen der Eltern umgehen.
Die Diskussion über die optimale Einschulungszeit hat sich verändert. Früher waren Eltern stolz, wenn ihre Kinder frühreif genug waren, um vorzeitig in den Kindergarten zu kommen. Heute ziehen viele Eltern es vor, ihre Kinder ein Jahr länger zu Hause zu behalten, da sie glauben, dass dies deren Reife fördert. Viele Kantonen haben das Einschulungsalter gesenkt, was bedeutet, dass einige Kinder bereits im Alter von vier Jahren und drei Wochen den Kindergarten beginnen. Diese frühe Einschulung wirft Fragen auf, insbesondere in Bezug auf die Entwicklungsbereitschaft der Kinder.
Der Bildungsbericht 2023 des Bundes beleuchtet die Auswirkungen dieser Veränderungen. In Kantonen mit einem früheren Einschulungsdatum gibt es tendenziell weniger Rückstellungen. Dennoch variiert die Zahl der verspätet eingeschulten Kinder stark zwischen den Kantonen. Zum Beispiel ist Thurgau der Spitzenreiter mit 18 Prozent verzögerter Einschulungen, gefolgt von Bern mit 17 Prozent. In Gegenden wie Graubünden liegt der Anteil dagegen im einstelligen Bereich. Dies zeigt, dass Faktoren wie die Liberalität der Behörden bei der Bearbeitung von Elternanträgen eine Rolle spielen.
Ein weiterer Aspekt ist die Erwartungshaltung der Eltern. Viele hoffen, dass ihre Kinder durch spätere Einschulung kognitiv und sozial besser entwickelt sein werden. Studien bestätigen, dass jüngere Schüler oft in Leistungstests schlechter abschneiden als ihre älteren Mitschüler. Diese Altersunterschiede bleiben bis ins Gymnasium bemerkbar, wo ältere Schüler überrepräsentiert sind. Experten wie Dagmar Rösler vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH betonen jedoch, dass die Bildungschancen insgesamt nicht sinken. Vielmehr könnte das Engagement der Eltern entscheidend sein, unabhängig vom tatsächlichen Alter des Kindes.
Außerdem argumentieren Psychologen wie Regula Roebers aus Bern, dass der Kindergarten wichtige Lerngelegenheiten bietet, insbesondere für Kinder mit Entwicklungsauffälligkeiten. Der Kontakt zu Gleichaltrigen und die strukturierte Tagesroutine seien besonders förderlich. Die Entscheidung über die beste Zeitpunkt der Einschulung bleibt daher komplex und hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich individueller Entwicklungsbedürfnisse und familiären Umständen.