In der aktuellen Diskussion um die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertags in Deutschland spiegelt sich ein Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen und sozialen Werten wider. Während einige Wirtschaftsexperten wie Bundeskanzler Friedrich Merz und Vertreter des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen den Verlust eines Feiertags als Chance zur Stärkung der Volkswirtschaft sehen, warnt der Ökonom Marcel Fratzscher vor einem solchen Schritt. Er argumentiert, dass die Lösung für das Fachkräfteproblem nicht allein in einer Erhöhung der Arbeitszeit liege, sondern vielmehr in einer Verbesserung der Produktivität und besseren Rahmenbedingungen für Frauen sowie Geflüchtete liege.
Der Ausgangspunkt dieser Debatte liegt in Dänemark, wo 2023 der "Store Bededag" gestrichen wurde, um die Wirtschaft zu stärken und Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Dieser Entschluss führte zu massiven Protesten, da viele Bürger diesen Schritt als Vertrauensbruch empfanden. In Deutschland scheint nun eine ähnliche Richtung einzuschlagen, wobei prominente Stimmen aus Wirtschaft und Politik dafür plädieren, einen Feiertag abzuschaffen, um Mehreinnahmen zu generieren. Das Institut der deutschen Wirtschaft prognostiziert dabei einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um bis zu 8,6 Milliarden Euro.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), kritisiert diese Ansätze scharf. Laut ihm arbeiten die Deutschen bereits mehr denn je – sowohl in Bezug auf die Gesamtzahl der Arbeitsstunden als auch auf die Zahl der Beschäftigten. Die echte Herausforderung bestehe darin, die Produktivität zu steigern und gleichzeitig faire Rahmenbedingungen für alle zu schaffen. Besonders betont er die Notwendigkeit einer Reform des Ehegattensplittings, der Abschaffung von Minijobs und einer besseren Betreuungsinfrastruktur für Kinder.
Fratzscher unterstreicht zudem, dass die Zukunftslösungen weniger in einer Erhöhung der Arbeitszeit liegen sollten, sondern vielmehr darin, Unternehmen dazu zu bringen, in ihre Mitarbeiter zu investieren und moderne Technologien einzuführen. Auch die Integration von Geflüchteten spielt hierbei eine wichtige Rolle. Eine weitere Kontroverse betrifft die Frage nach einer verlängerten Arbeitszeit im Rentenalter. Obwohl dies potenziell helfen könnte, den Arbeitsmarkt zu entlasten, gibt es realistische Einschränkungen, da viele Menschen physisch und mental nicht in der Lage sind, länger zu arbeiten.
Die Diskussion um die Abschaffung eines Feiertags offenbart somit tiefliegende Unterschiede in der Perspektive auf Wirtschaftsentwicklung und soziale Gerechtigkeit. Während einige Experten den ökonomischen Nutzen betonen, warnen andere vor langfristigen sozialen Konsequenzen. Am Ende geht es weniger um die bloße Anzahl an Arbeitstagen, sondern vielmehr um die Qualität der Arbeit und die Gestaltung eines gerechten Arbeitsmarktes. Ein Konsens scheint noch fern, doch ist klar, dass jede Entscheidung weitreichende Auswirkungen haben wird.