Die Entwicklung von Kindern wird erheblich beeinflusst, wenn sie in Familien aufwachsen, in denen ein Elternteil unter psychischen Erkrankungen leidet. Diese Kinder sind oft gezwungen, eine übermäßige Verantwortung zu übernehmen, die für ihr Alter nicht angemessen ist. Andrea S., nun 32 Jahre alt, teilt ihre Erfahrungen mit einer depressiven Mutter und erklärt, wie diese Situation ihr Leben und das ihrer Familie geprägt hat. Experten warnen vor den langfristigen Auswirkungen solcher Belastungen auf die seelische Gesundheit der Kinder.
In vielen Fällen müssen Kinder frühzeitig lernen, sich um ihren Elternteil zu kümmern, anstatt selbst betreut zu werden. Andrea erinnert sich daran, dass sie schon als kleines Mädchen die Rolle der Betreuerin übernahm, während ihre Mutter, Elisabeth, zunehmend von Depressionen heimgesucht wurde. Die Aufgaben reichten von einfachen Alltagspflichten bis hin zu emotionaler Unterstützung, was für ein Kind dieser Altersgruppe eine enorme Herausforderung darstellte. Dieser Rollenwechsel hatte tiefe Spuren hinterlassen, sowohl in Andreas persönlichem Leben als auch in ihrer Beziehung zu ihrer Mutter.
Die Psychologin Mariano Desole vom Departement Soziale Arbeit der ZHAW betont, dass Kinder in solchen Familien oft die Hauptlast tragen und versuchen, ihre jüngeren Geschwister zu schützen. Sie entwickeln eine starke Bindung zueinander, aber auch eine hohe Belastung, die sich negativ auf ihre Entwicklung auswirkt. Es sei wichtig, dass es sensibel bemerkende Personen gibt, die erkennen, wenn ein Kind oder Jugendlicher unter diesen Bedingungen leidet, und ihm die nötige Unterstützung anbieten können. Diese Unterstützung kann entscheidend sein, um langfristig Schaden zu vermeiden.
Andrea beschreibt, wie die Krankheit ihrer Mutter zunahm und schließlich tragisch endete. Als sie 19 war, nahm sich ihre Mutter das Leben. Dieses Ereignis hinterließ tiefe Wunden bei Andrea, die noch heute damit kämpft, ihre Gefühle zu verarbeiten. Der Tod ihrer Mutter verstärkte ihre Schuldgefühle und machte es ihr schwer, loszulassen. Dennoch hat sie gelernt, dass es wichtig ist, Hilfe zu suchen und Unterstützung anzunehmen, um mit solchen traumatischen Erlebnissen umzugehen.
Kinder von psychisch kranken Eltern haben ein erhöhtes Risiko, später selbst psychische Probleme zu entwickeln. Studien zeigen, dass diese Kinder drei- bis siebenmal häufiger an psychischen Erkrankungen leiden als andere. Das liegt teilweise daran, dass sie früh mit schwierigen Lebenssituationen konfrontiert werden und lernen, Verantwortung zu übernehmen, die ihnen eigentlich fernliegt. Es ist daher entscheidend, dass diese Kinder frühzeitig unterstützt werden, um langfristige seelische Schäden zu verhindern. Unterstützungsprogramme und therapeutische Maßnahmen können dabei helfen, die belastende Verantwortung abzulegen und ein gesünderes Leben zu führen.