In Nordrhein-Westfalen steht die psychische Betreuung von Flüchtlingen im Fokus. Obwohl genaue Zahlen fehlen, deutet eine Studie darauf hin, dass etwa ein Drittel der Geflüchteten unter psychischen Störungen leidet. Dies stellt sowohl die betroffenen Personen als auch das Gesundheitssystem vor erhebliche Herausforderungen. Experten warnen, dass trotz vorhandener Angebote für psychosoziale Betreuung viele Menschen ohne angemessene Unterstützung bleiben. Insbesondere in Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es einen bedenklichen Mangel an Kapazitäten und Strukturen, um diese Probleme effektiv anzugehen.
Über zehn Jahre Erfahrung mit der Betreuung von Flüchtlingen hat Claudia Kruse, Integrationsbeauftragte der Gemeinde Odenthal, gelehrt, dass ein Viertel der betreuten Menschen psychisch auffällig ist und medizinische Hilfe benötigt. Diese Situation spiegelt sich auch in anderen Regionen wider. Der Psychologe Frank Neuner von der Universität Bielefeld stellte in einer repräsentativen Untersuchung fest, dass etwa 30 Prozent der befragten Geflüchteten unter psychischen Belastungen leiden. Diese Zahl ist höher als bei der allgemeinen Bevölkerung und lässt sich auf traumatische Erlebnisse zurückführen. Es ist daher entscheidend, dass solche Erkrankungen frühzeitig erkannt werden.
Nach Angaben der NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul existieren bereits erste Maßnahmen zur psychosozialen Betreuung in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Hier spielen Gewaltschutz- und Präventionsbeauftragte eine wichtige Rolle, um mögliche Radikalisierungen oder psychische Auffälligkeiten zu erkennen und entsprechende Beratungsangebote bereitzustellen. Allerdings weisen Berichte aus verschiedenen Psychosozialen Zentren darauf hin, dass viele Geflüchtete trotz dieser Bemühungen oft monatelang oder sogar jahrelang ohne angemessene Hilfe bleiben. Kostengründe sind häufig der Grund dafür, dass die Versorgung nicht gewährleistet ist.
Prof. Frank Neuner betont die Notwendigkeit, besonders gefährdete Fälle zu identifizieren und sofortige Unterstützung zu bieten. Menschen in sehr dramatischen Zuständen sollten schnellstmöglich erkannt und geholfen werden, um eine unmittelbare Gefährdung für sich selbst oder andere zu verhindern. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bleibt jedoch weiterhin ein dringendes Problem, das durch verbesserte Identifikation und schnelle Interventionen geschlossen werden muss.