Das Gerücht, dass moderate Alkoholkonsum gesundheitliche Vorteile bieten könnte, hält sich hartnäckig. Studien haben dies sogar belegt, doch wie zuverlässig sind diese Behauptungen? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnen vor jeglichem Alkoholkonsum, da es keinen ungefährlichen Genuss gibt. Tim Stockwell vom Canadian Institute for Substance Use Research erläutert, warum diese Studien irreführend sein können und welche Faktoren tatsächlich eine Rolle spielen. Zudem wird der Trend zur Abstinenz bei jüngeren Menschen beleuchtet sowie die Herausforderung des exzessiven Konsums in Deutschland.
Die Forschung hat lange behauptet, dass ein moderater Alkoholkonsum gesundheitliche Vorteile bringt. Diese Annahme basiert auf Studien, die jedoch methodologische Schwächen aufweisen. Tim Stockwell erklärt, dass Ungleichheiten zwischen den Gruppen von Trinkern und Nichtrinkern bereits in jungen Jahren bestehen. Moderat Trinkende neigen dazu, ein höheres Einkommen, bessere Bildung und einen größeren Zugang zu medizinischer Versorgung zu haben. Diese Faktoren tragen wesentlich zu einer insgesamt besseren Gesundheit bei, nicht der Alkoholkonsum an sich.
Die Unterschiede zwischen den Gruppen werden im Alter noch deutlicher. Chronisch Kranke verzichten oft vollständig auf Alkohol, was dazu führt, dass sie in der Gruppe der Nichtrinker landen. Dies verfälscht die Ergebnisse, da es scheint, als ob die moderaten Trinker gesünder wären, während die Ursache tatsächlich in den fehlenden Grundkrankheiten liegt. Tim Stockwell betont, dass viele dieser Studien Störfaktoren übersehen, was zu einem ehrlichen Fehler führt. Medien zeigen großes Interesse an solchen Ergebnissen, und manche Forschungen werden sogar von der Alkoholindustrie finanziert, die positive Daten fördert.
Trotz der verbreiteten Meinung, dass Alkohol gesundheitliche Vorteile bietet, zeigt sich ein Trend zur Abstinenz, besonders unter jungen Menschen. Seit etwa 15 Jahren gibt es einen zunehmenden Wunsch, Alkohol zu meiden. Der "Dry January" ist ein Beispiel dafür, wie vier Wochen ohne Alkohol bereits spürbare Effekte haben können. Allerdings bleibt die Frage, ob dies eine dauerhafte Entwicklung ist. Stefan Gutwinski von der Charité Berlin glaubt nicht an einen langfristigen Rückgang des Alkoholkonsums in Deutschland, da der exzessive Konsum sogar zugenommen hat.
Gutwinski betont, dass Alkohol Teil unserer Gesellschaft ist und eine vollständige Abstinenz unrealistisch wäre. Stattdessen sollte der Fokus auf einen gesunden Umgang mit Alkohol liegen. Prävention im Jugendbereich bleibt wichtig, aber das Ziel sollte nicht die totale Abstinenz sein. Ein niederschwelliger Zugang zur Suchthilfe ist entscheidend. Deutschlands Suchthilfesystem gilt als eines der besten weltweit, was die Notwendigkeit unterstreicht, diese Ressourcen weiterhin zu nutzen und zu verbessern.