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„Das ist ein absolutes No-Go“: Wie leichtfertig Internet-Ärzte Cannabis-Rezepte ausstellen
2024-08-06

Medizinisches Cannabis: Zwischen Heilung und Missbrauch

Das neue Cannabis-Gesetz hat den Zugang zu medizinischem Marihuana deutlich erleichtert. Doch nicht überall läuft alles nach Vorschrift. Einige Anbieter scheinen den Bedarf der Patienten auszunutzen und Cannabis-Rezepte ohne gründliche ärztliche Untersuchung auszustellen. Das wirft Fragen nach der Legalität und den Risiken für die Gesundheit auf.

Schnell, einfach und günstig - aber zu welchem Preis?

Bequeme Online-Verschreibung statt Arztbesuch

Anbieter wie Dr. Ansay werben damit, Patienten Cannabis-Rezepte "einfach, schnell und verlässlich" online ausstellen zu lassen - "ohne stressigen Arztbesuch". Stattdessen müssen Interessenten lediglich einen Fragebogen ausfüllen und ihre Symptome angeben. Ob und wie diese Angaben überprüft werden, ist unklar. Ärzte wie Florian Wesemann sehen darin ein großes Problem: "Das ist ein absolutes No-Go. Bei uns gibt es das nicht." Er betont, dass eine gründliche Beratung und Einordnung der Behandlung durch einen Arzt unerlässlich sei, um Patienten optimal zu versorgen.

Jugendliche als Zielgruppe

Besonders kritisch sieht Wesemann den Umgang mit jungen Patienten im Alter von 18 bis 23 Jahren. In diesem Alter sei die Hirnentwicklung möglicherweise noch nicht abgeschlossen, sodass der Einsatz von Cannabinoiden sehr sorgfältig abgewogen werden müsse. Bei Dr. Ansay bekommen jedoch auch Minderjährige problemlos ein Rezept.

Rechtliche Grauzonen

Die Rechtslage ist hier nicht eindeutig. Zwar müssen Ärzte, die über Portale wie das von Dr. Ansay Rezepte ausstellen, formal verantwortlich sein und ihre Unterschrift leisten. Doch eine reine Beurteilung anhand eines Fragebogens ohne persönlichen Kontakt zum Patienten entspricht laut Experten nicht den fachlichen Standards. Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf die Zuständigkeit der Länder, wenn es um die Frage der Legalität geht.

Missbrauch durch "Pseudo-Patienten"

Der Bund deutscher Cannabis-Patienten zeigt sich "stinksauer" über die "Menge an Pseudo-Patienten", die ohne tatsächliche Beschwerden medizinisches Cannabis beantragen. Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger sieht hier "Missbrauch vorprogrammiert". Anbieter wie Dr. Ansay argumentieren hingegen, dass viele Patienten den persönlichen Arztbesuch scheuen und daher lieber auf Online-Angebote zurückgreifen.

Konkurrenz durch legale Anbauclubs

Seit Juli können Lizenzen für legale Anbauclubs beantragt werden, die in Zukunft eine Alternative zu den Online-Anbietern darstellen könnten. Allerdings wird es noch Monate dauern, bis die ersten Ernten zur Verfügung stehen. Bis dahin bleibt der Markt für medizinisches Cannabis weiterhin lukrativ - und anfällig für Missbrauch.
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