Zwei neu veröffentlichte Studien aus Genf und Leipzig werfen ein alarmierendes Licht auf die Zusammenhänge zwischen religiöser Erziehung, verinnerlichten Geschlechterbildern und feindlichen Einstellungen gegenüber der queeren Community. Die Forscher konnten nachweisen, dass traditionelle Männlichkeitsvorstellungen sowie religiös geprägte Werte erheblich zum Auftreten von Vorurteilen und Diskriminierung beitragen. Besonders auffällig ist dabei die Rolle der familiären Erziehung, die diese Einstellungen frühzeitig vermittelt.
In den vergangenen Jahren hat sich die gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Menschen zwar insgesamt verbessert, doch die Zahl der Hassverbrechen gegen diese Gruppe nimmt weiterhin zu. Die Studien zeigen nun, dass dies mit den Bildern zusammenhängt, die Jungen bereits in ihrer Kindheit über Männlichkeit vermittelt bekommen. Diese Vorgaben sind oft durch eine starre Definition von Stärke und Kontrolle gekennzeichnet, die es schwierig macht, andere Lebensformen anzuerkennen.
Die genferische Untersuchung hat speziell herausgearbeitet, dass heterosexuelle Männer im Durchschnitt signifikant höhere Vorurteile gegenüber homosexuellen Männern entwickeln als Frauen oder auch lesbische Frauen gegenüber Lesben. Dies sei vor allem dadurch bedingt, dass sie ihre Identität oft im Gegensatz zu queeren Männern definieren. Diese Dynamik führt dazu, dass sie psychologisch Abstand schaffen und defensiv reagieren, sobald ihre eigene Männlichkeit infrage gestellt wird.
Besonders interessant wird die Situation, wenn man den religiösen Hintergrund betrachtet. Die Leipziger Studie konnte klare Korrelationen zwischen einer religiös geprägten Erziehung und homophober Einstellung feststellen. In vielen Glaubensrichtungen wird heterosexuelle Orientierung als natürlicher Status quo angesehen, während gleichgeschlechtliche Beziehungen als Abweichung dargestellt werden. Dieser Narrative trage maßgeblich zur Entwicklung negativer Einstellungen bei.
Der persönliche Bericht von Robert*, einem 38-jährigen Mann aus München, illustriert eindrucksvoll die Herausforderungen, die solche Erziehungsmuster mit sich bringen können. Während sein jüngster Bruder seine Outing-Offenbarung relativ gelassen aufgenommen hat, haben ältere Geschwister und Eltern deutliche Probleme damit gehabt, diese neue Perspektive einzugehen. Es zeigt sich hier, wie tief verwurzelt bestimmte Erwartungen an männliches Verhalten noch sind.
Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müssen Eltern künftig besonderen Wert darauf legen, religiöse Inhalte sensibel zu vermitteln und Raum für individuelle Überlegungen zu lassen. Nur so kann eine neue Generation heranwachsen, die nicht automatisch ablehnende Einstellungen gegenüber Andersdenkenden entwickelt. Der Schlüssel liegt darin, Kinder frühzeitig in der Vielfalt menschlicher Lebensformen zu erschließen und ihnen dabei die Freiheit zu geben, eigene Schlüsse zu ziehen.