Die deutsche Stahlindustrie, einst Vorreiter bei der Umstellung auf umweltfreundliche Produktionsmethoden, steht vor einer Zerreisprobe. Trotz umfangreicher staatlicher F\u00f6rderung hat sich ein bedeutender Akteur aus der Wasserstoff-basierten Stahlerzeugung zur\u00fcckgezogen. Dies l\u00f6st nicht nur bei den Arbeitnehmern gro\u00dfe Besorgnis aus, sondern wirft auch grunds\u00e4tzliche Fragen zur Machbarkeit einer vollst\u00e4ndigen Dekarbonisierung in einem wettbewerbsintensiven Marktumfeld auf.
Wirtschaftliche Realit\u00e4ten und die derzeitige Ungewissheit bez\u00fcglich der Verf\u00fcgbarkeit von Wasserstoff haben die Unternehmen dazu bewogen, ihre ambitionierten Pl\u00e4ne zu \u00fcberdenken. Dies k\u00f6nnte weitreichende Auswirkungen auf die Erreichung der nationalen Klimaziele haben und erfordert dringend eine Neubewertung der politischen Rahmenbedingungen, um die gr\u00fcne Transformation der Industrie zu sichern.
Die Mitarbeitenden des Stahlkonzerns ArcelorMittal in Bremen und Eisenh\u00fcttenstadt \u00e4u\u00dferten gro\u00dfe Frustration \u00fcber die Entscheidung des Unternehmens, die Pl\u00e4ne f\u00fcr eine CO2-neutrale Stahlproduktion zu pausieren. Diese Ma\u00dfnahme erfolgte trotz zugesagter staatlicher Mittel in Milliardenh\u00f6he. Die Begr\u00fcndung des Konzerns liegt in der mangelnden Wirtschaftlichkeit und der Unsicherheit bez\u00fcglich der zuk\u00fcnftigen Verf\u00fcgbarkeit und Preisgestaltung von gr\u00fcnem Wasserstoff. Dies f\u00fchrt zu einem Dilemma: W\u00e4hrend die Stahlproduktion f\u00fcr Deutschlands Klimaschutzziele von gro\u00dfer Bedeutung ist und langfristig eine Abkehr von fossilen Brennstoffen erfordert, erweisen sich die kurz- und mittelfristigen Kosten als un\u00fcberwindbar. Experten warnen, dass Europa bis 2030 voraussichtlich nicht \u00fcber die geplanten Mengen an eigenproduziertem gr\u00fcnem Wasserstoff verf\u00fcgen wird, was die Umstellung weiter erschwert und Investitionen f\u00fcr Unternehmen unrentabel macht. Dies droht, eine Kettenreaktion auszul\u00f6sen, in der fehlende Auftr\u00e4ge zu weiteren Insolvenzen in der Wasserstoffbranche f\u00fchren, was wiederum die Investitionsbereitschaft der Industrie mindert.
Die Entscheidung von ArcelorMittal, die ambitionierten Pl\u00e4ne zur Umstellung auf wasserstoffbasierten Stahl vorerst auf Eis zu legen, hat in der Belegschaft und der lokalen Politik f\u00fcr gro\u00dfe Ern\u00fcchterung gesorgt. Trotz finanzieller Unterst\u00fctzung von Bund und L\u00e4ndern in H\u00f6he von 1,3 Milliarden Euro sah das Unternehmen keine tragf\u00e4hige wirtschaftliche Perspektive. Das Unternehmen verwies auf die noch nicht gegebene Marktreife und die ungewisse Verf\u00fcgbarkeit von gr\u00fcnem Wasserstoff. Derzeit ist die Produktion von gr\u00fcnem Wasserstoff in Deutschland teuer und energieintensiv, was die industrielle Nutzung unattraktiv macht. Dieser Stillstand bei der Umstellung kann den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft behindern, da die fehlende Nachfrage potenzielle Investoren abschreckt und somit die Produktionskapazit\u00e4ten nicht wie erhofft aufgebaut werden k\u00f6nnen. Diese Entwicklung k\u00f6nnte weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Stahlindustrie haben, da sie das ehrgeizige Ziel der Dekarbonisierung zu einem unsicheren Unterfangen macht und die Frage aufwirft, ob die gr\u00fcne Transformation unter den aktuellen Bedingungen \u00fcberhaupt realisierbar ist.
Trotz der aktuellen Schwierigkeiten und der Entt\u00e4uschung \u00fcber den R\u00fcckzug von ArcelorMittal halten andere gro\u00dfe deutsche Stahlkonzerne weiterhin an ihren Pl\u00e4nen zur Produktion von gr\u00fcnem Stahl fest. Branchenf\u00fchrer wie Thyssenkrupp Steel beabsichtigen, ihre Anlagen in Duisburg weiter f\u00fcr gr\u00fcnen Stahl umzur\u00fcsten, obwohl auch hier die wirtschaftliche Rentabilit\u00e4t als grenzwertig eingestuft wird. Auch Salzgitter und SHS aus dem Saarland bekr\u00e4ftigen ihr Engagement f\u00fcr eine nachhaltigere Stahlproduktion. Diese fortgesetzten Anstrengungen zeigen, dass die Vision vom gr\u00fcnen Stahl in Deutschland nicht vollst\u00e4ndig aufgegeben wird, sondern als langfristige Notwendigkeit f\u00fcr die Industrie betrachtet wird.
Die Umstellung auf Elektrolichtbogen\u00f6fen wird von ArcelorMittal als n\u00e4chster Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gesehen, als Vorbereitung auf den Zeitpunkt, an dem eine vollst\u00e4ndig umweltfreundliche Produktion wirtschaftlich tragf\u00e4hig ist. Politiker und Gewerkschafter in Bremen bleiben entschlossen und fordern weiterhin eine aktive Rolle der Regierung, um wettbewerbsf\u00e4hige Strompreise und eine ausreichende Versorgung mit Wasserstoff sicherzustellen. Sie sind \u00fcberzeugt, dass die Stahlproduktion eine Zukunft hat, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Hoffnung bleibt, dass diese Bem\u00fchungen die gr\u00fcne Transformation der deutschen Stahlindustrie vorantreiben und das Vertrauen in die Machbarkeit einer nachhaltigen Wirtschaft st\u00e4rken k\u00f6nnen, auch wenn der Weg dorthin steinig ist.