In einer Zeit, in der die digitale Welt immer präsenter wird, warnen Experten vor negativen Auswirkungen auf die kindliche Psyche. Der hessische Pädiater Burkhard Voigt hebt in einem Interview mit BuzzFeed News Deutschland die wachsende Bedeutung von Interaktion zwischen Eltern und Kindern hervor. Er betont dabei, dass heutige Kinder unter erhöhtem psychischem Stress leiden könnten, der durch die Informationsflut sowie eine übermäßige Fokussierung auf Perfektion entsteht. Besonders auffällig sind laut Voigt die steigenden Fälle von autoaggressivem Verhalten und funktionalen Beschwerden bei Kindern.
Burkhard Voigt, ein erfahrenes Mitglied des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte Hessen, spricht aus langjähriger Praxis. Seit 1990 arbeitet er als Kinderarzt in Frankfurt am Main und beobachtet dabei eine signifikante Veränderung in den Gesundheitsproblemen seiner jüngeren Patienten. Die letzten Jahre, insbesondere die Corona-Pandemie, haben nach Ansicht des Mediziners zu einem Anstieg psychosomatischer Symptome geführt. Diese erschienen häufiger bei Kindern, die sich in einer emotional instabilen Umgebung befinden oder durch digitale Geräte abgelenkt werden.
Viele dieser Probleme lassen sich laut Voigt auf das Zusammenspiel zwischen Eltern und Kindern zurückführen. Wenn Eltern selbst unter Druck stehen, können sie unbewusst ihre Ängste auf ihre Nachkommen übertragen. Dies führt dazu, dass Kinder körperliche Beschwerden entwickeln, obwohl keine organische Ursache dafür besteht. Der Begriff „Funktioneller Bauchschmerz“ beschreibt genau solche Fälle. Eine weitere Herausforderung liegt darin, wie sehr moderne Kommunikationstechnologien die Bindung zwischen Eltern und Kind beeinträchtigen. Handys und Tablets dienen oft als Ersatz für echte menschliche Interaktion, was die Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen kann.
Voigt rät daher zu einer natürlicheren Form der Erziehung, in der weniger Wert auf Perfektion gelegt wird. Stattdessen sollten Eltern mehr Zeit damit verbringen, authentisch mit ihren Kindern zu kommunizieren. Die Tendenz zur sogenannten „Helikopterelternschaft“, bei der Eltern ihre Kinder ständig im Blick behalten, kann ebenfalls kontraproduktiv sein. Kinder benötigen Raum zum Selbstfindungsprozess und Eigenständigkeit, um gesund zu wachsen.
Zudem kritisiert Voigt die zunehmende Prävalenz von „bedürfnisorientierten Erziehungsansätzen“. Diese Methode kann dazu führen, dass Eltern ihre eigenen Bedürfnisse mit denen ihrer Kinder verwechseln. Insbesondere junge Eltern sollten verstehen, dass ein Säugling nicht unbedingt weiß, was ihm wirklich guttut. Auch Mütter sollten sich erlauben, ihre eigenen Emotionen und Bedürfnisse zu beachten, statt permanent auf die Wünsche ihres Kindes zu achten.
Die Zukunft der Elternschaft liegt laut Voigt in einem Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Anforderungen. Es ist wichtig, sowohl Eltern als auch Kinder davon zu überzeugen, dass Fehler Teil des Lebens sind und nicht zwangsläufig negative Konsequenzen haben müssen. Nur so können wir sicherstellen, dass die nächste Generation in einer emotional gesunden Umgebung aufwächst.